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Grabpflege

Wenn meine inzwischen im zarten Alter von 99 Jahren verstorbene Schwiegermutter Besuch von ihrer besten Freundin bekam, unterhielten sich die beiden Damen vorwiegend über drei Themen, nämlich die Feinheiten der Mülltrennung, das unsittliche Treiben der Jugend in den städtischen Grünanlagen und ... Grabpflege. Besonders das letzte Thema erwies sich als sehr ergiebig, vor allem wenn es darum ging, die anlässlich kürzlicher Friedhofsbesuche konstatierte pflegerische Vernachlässigung  benachbarter Grabstellen gebührend zu missbilligen.

Als ich einmal leichtsinnigerweise durchblicken ließ, dass ich von Grabpflege nicht allzu viel halte, weil dies ja doch nur "für die Leute" sei, beschloss meine Schwiegermutter, mit Zähnen und Klauen für die Sicherstellung ihrer eigenen Grabpflege zu kämpfen, und schloss hinter meinem Rücken einen Grabpflegevertrag mit einem ortsansässigen Gärtner ab. Das hierfür nötige Geld hinterlegte sie bei einer Person ihres Vertrauens. Ob letztere allerdings das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigte, ist fraglich, denn kürzlich erhielt ich ein Schreiben von der Stadtverwaltung, in dem ich über den unzulänglichen Pflegezustand des Grabes meiner Schwiegermutter unterrichtet wurde, mit der Aufforderung, für Abhilfe zu sorgen. Ich Trottel hatte nämlich seinerzeit bei der Beerdigung einen mir am Eingang zur Friedhofskapelle vom Beerdigungsunternehmer unter die Nase gehaltenen Wisch unterschrieben, in dem wohl dringestanden haben muss, dass ich mich für die Pflege des Grabes zuständig erkläre. (Aber wer ist in so einem Moment schon fähig zu lesen?!)

Das oben genannte Schreiben vermag mich allerdings nur mäßig zu verunsichern, denn inzwischen habe ich mir im Umgang mit der Stadtverwaltung ein dickes Fell zugelegt.

Dies kam so: Nachdem ich in früheren Jahren in regelmäßigen Abständen brav zum Friedhof getrottet war, um meiner Bürgerpflicht zum Unkrautzupfen auf dem Grab meiner Eltern nachzukommen, beschloss ich eines Tages, dies künftig zu unterlassen, weil es mir mangels erkennbarer Sinnhaftigkeit einfach zu dumm wurde. Daraufhin wurde ich von der Stadtverwaltung in regelmäßigen Abständen mit mahnenden bis drohenden Schreiben über den unzureichenden Pflegezustand des Grabes informiert. Anfangs versuchte ich noch, mich dagegen zu wehren, ging sogar einmal persönlich zum Amt, um kundzutun, dass ich auf eine weitere Nutzung der Grabstelle keinen Wert lege und diese zur anderweitigen Nutzung freigeben möchte. Dies ginge nicht, wurde mir eröffnet, da die Zeit für die "Totenruhe" noch nicht abgelaufen sei. Mein Einwand, dass die Totenruhe ja am besten gewahrt würde, wenn sie nicht durch Graben und Kratzen auf der Graboberfläche gestört würde, stieß auf das gleiche Unverständnis wie mein Wunsch nach einer Grabgestaltung durch Wildpflanzenbewuchs, welch letzterer aber von der Behörde nur verständnislos als "Unkraut" diffamiert wurde.

Irgendwann kam es sogar nach hinreichend oft wiederholter Androhung zu so genannten "Ersatzvornahmen": Ein Gärtner wurde mit der Herrichtung des Grabes beauftragt und mir die Kosten in Rechnung gestellt. Ich habe die Rechnungen mit einem Achselzucken bezahlt, denn deshalb vor Gericht zu gehen, war mir zu aufwändig wegen der paar Kröten. Das ist übrigens während der ganzen Zeit des bürokratischen Kleinkrieges nur zweimal passiert. Beim ersten Mal stellte sich nach der gärtnerischen Herrichtung der vorherige Zustand nach wenigen Monaten wieder ein, so dass wieder einige Jahre Zeit für die Abfassung weiterer Mahn- und Drohbriefe gewonnen wurde.  Beim zweiten und letzten Mal erfolgte die Instandsetzung witzigerweise drei Wochen vor Ablauf der Nutzungsdauer.

Danach hoffte ich eigentlich, Ruhe zu haben, doch weit gefehlt: Jetzt werde ich seit Jahren schon mit der Aufforderung bombardiert, meiner Pflicht zur Abräumung der Grabstätte nachzukommen. Da ich mir diese alberne Zumutung bisher am Arsch vorbei gehen ließ (Wofür wird denn der Totengräber eigentlich bezahlt?), ereilte mich jetzt im September 2011 eine "Ordnungsverfügung" mit einer implizierten "Androhung der Ersatzvornahme".

Dieses Schreiben stammt - wie auch alle der ca. 30 vorangegangenen - vom - man lese und staune! - ...

Amt für Wirtschaft, Umwelt und Stadtentwicklung.

Das muss man sich mal genüsslich auf der Zunge zergehen lassen.

Nachtrag Ende 2012:

Inzwischen ist die angedrohte Ersatzvornahme erfolgt und das Grab auf meine Kosten abgeräumt worden.